APL 054: Geheimwaffe für mehr Verständnis und Klarheit. Die Matrix

Informationen zu der Episode:

Heute geht es um eine Matrix. Matrix, da denken Sie jetzt vielleicht an den Film mit Keanu Reeves. Darum geht’s nicht. Vielleicht denken Sie auch an die Matrizenrechnung in der Mittelschule. Um die geht es auch nicht, auch wenn das der Sache schon ein wenig näher kommt.

Worum geht’s wirklich? Es geht um Verständnis und Klarheit, und um ein Werkzeug, mit dem man erstaunlich einfach Verständnis und Klarheit herstellen kann.

Zum Lösen von Problemen braucht es bekanntlich ja Menschen. Es braucht Menschen, die miteinander arbeiten, sich austauschen, diskutieren und vielleicht auch streiten, Menschen, die Entscheidungen treffen.

Was gerne übersehen wird, ist, dass es für eine konstruktive Zusammenarbeit auch so etwas wie eine gemeinsame Basis braucht. Diese gemeinsame Basis sollte etwa Begriffe umfassen, unter denen alle das Gleiche verstehen. Sie sollte ein gemeinsames Verständnis zu Ausgangssituation und Zielsetzung umfassen, darauf bin ich in der Episode 43 etwas ausführlicher eingegangen. Und es schadet ganz grundsätzlich nicht, wenn alle wissen, worüber man redet, wenn also Klarheit herrscht.

Ich meine, Sie kennen das, oder? Man sitzt im Meeting, und irgendwie reden die Leute aneinander vorbei. Also nicht nur ein bisschen, sondern komplett. Was fehlt ist Struktur und Klarheit, worum es eigentlich geht.

Und hier kommt die 2 x 2 Matrix als Geheimwaffe ins Spiel. Fangen wir mit der Frage an, was ist eine 2 x 2 Matrix? Das ist nichts anderes als vier Felder, die in einem Quadrat angeordnet sind, also zwei nach oben, zwei nach der Seite. Man könnte auch sagen eine 2 x 2 Matrix ist ein großes Quadrat mit einem senkrechten Strich in der Mitte und einem horizontalen Strich in der Mitte, die dieses große Quadrat in vier Felder teilen. Alles klar? Oder wenn Sie unter der Dusche stehen und die Duschwand ist angelaufen vom Wasserdampf. Wenn Sie jetzt mit dem Finger ein Kreuz auf die Wand malen, dann habe Sie auch eine 2 x 2 Matrix.

Und wozu soll sowas gut sein? Lassen Sie mich das an ein paar Beispielen veranschaulichen, um das Prinzip zu verdeutlichen. Ich beginne mit einer besonders berühmten Matrix.

Folgende Situation: Sie arbeiten in einem Unternehmen, sagen wir in einem Verlag, und Sie haben mehrere unterschiedliche Produkte. Was hat man in einem Verlag üblicherweise an Produkten? Bücher, zum Beispiel, gebundene und Taschenbücher. Dann noch Hörspiele und elektronische Bücher. Und Sie fragen sich jetzt, wie gehen Sie mit diesen unterschiedlichen Produktkategorien strategisch vor. Wo investieren Sie was? Wo investieren Sie nichts mehr? Wie setzen Sie die Preise fest, und so weiter.

Bei diesen Fragen kann Ihnen die in der Betriebswirtschaft wahrscheinlich berühmteste 2 x 2 Matrix helfen, die BCG-Matrix. Erfunden hat die Anfang der 70er Jahre die Strategieberatung Boston Consulting Group, kurz BCG, daher der Name.

In der BCG-Matrix wird der relative Marktanteil, den das eigene Unternehmen in einem Markt hat dem Marktwachstum dieses Marktes gegenübergestellt. Wie darf man sich das vorstellen?

Die untere Zeile bei der BCG-Matrix heißt geringes Marktwachstum, die obere Zeile heißt hohes Marktwachstum.

Stellen wir uns dazu unsere Produktkategorien im Verlag vor. Alles was gedrucktes Buch ist, hat jedenfalls ein geringes Marktwachstum, wahrscheinlich sogar ein negatives Marktwachstum, der Markt schrumpft seit Jahren. Anders bei Hörbüchern und elektronischen Büchern. Hier wächst der Markt, zum Teil mit enormen Wachstumsraten. Gedruckte Bücher finden sich also in der unteren Zeile, Hörbücher und Elektronische Bücher in der oberen.

Kommen wir zu den Spalten. Die linke Spalte der BCG-Matrix heißt geringer Marktanteil, die rechte Spalte heißt hoher. Gemeint ist immer der Marktanteil des eigenen Produkts im betreffenden Markt.

Wir schauen wieder auf unsere Produktkategorien im Verlag. Nehmen wir an Sie sind in einem großen Verlag, dann haben Sie möglicherweise einen hohen Marktanteil bei gedruckten Büchern. Recht wahrscheinlich ist das nicht, denn der Buchmarkt ist sehr stark fragmentiert, das heißt es gibt sehr viele Player in dem Markt, und so richtig dominant ist eigentlich keiner.

Sehen wir uns Hörbücher und elektronische Bücher an. Bei elektronischen Büchern gibt es einen wirklich großen Player, das ist Amazon, der hat mit seiner Kindle-Plattform einen großen Marktanteil. Bei Hörbüchern ist das Spiel noch nicht entschieden, auch das gibt es mit Audible eine bereits sehr große Plattform, die Amazon gehört. Allerdings ist Audible nicht oder noch nicht so marktbeherrschend wie Kindle.

Kommen wir zurück zur BCG-Matrix, denn spannend wird es, wenn man sich die Schnittpunkte der Zeilen und Spalten ansieht, also die Felder der Matrix. Im Falle der BCG-Matrix haben diese Felder ganz berühmte Namen. Rechts oben, das sind Märkte, bei denen ich einen hohen Marktanteil und hohe Wachstumsraten des Marktes habe, das sind die „Stars“. Bei den Stars heißt es investieren, das sind die Märkte der Zukunft, in denen ich heute schon sehr gut positioniert bin. Im Feld darunter, da sind Märkte, bei denen ich einen hohen Marktanteil habe, der Markt aber nur schwach wächst, finden sich die so genannten „Cash Cows“. Hier gilt es nicht mehr zu investieren, der Markt wächst ja nicht mehr. Hier soll man die Gewinne abschöpfen, Cash rausholen, daher Cash Cows. Links unten, geringes Marktwachstum und geringer eigener Marktanteil, da sind die „Dogs“, also die Hunde. Da heißt es raus aus dem Markt. Und darüber, bei hohem Marktwachstum aber geringem eigenen Marktanteil, sind die „Question Marks“ oder Fragezeichen. Das heißt, das muss man sich genau anschauen. Im Markt bleiben und investieren kann Sinn machen, wenn man die Chance auf eine führende Position im Markt hat, aber auch raus gehen kann sinnvoll sein.

Schauen wir uns das in Bezug auf unseren Verlag an. Bei gedruckten Büchern sind Sie – wenn Sie einen wirklich großen Marktanteil haben – rechts unten, bei den Cash Cows. Wenn Sie nicht ganz so groß sind, dann sind Sie ein Feld weiter links, bei den Dogs. Insgesamt keine besonders schöne Perspektive.

Wenn Sie Hörbücher und elektronische Bücher machen, dann sind Sie zwar oben, also bei hohem Marktwachstum, allerdings ziemlich sicher links oben, also bei den „Question Marks“ außer natürlich Sie arbeiten bei Amazon.

Was heißt das konkret? Bei den gedruckten Büchern den Markt verlassen, schnell oder langsam, je nachdem in welchem Feld Sie sind. Oder aber Sie besetzen eine Nische, in der es noch Wachstum gibt, oder in der Sie wenigstens eine starke Marktposition haben. Bei Hörbüchern und elektronischen Büchern sind Sie wie gesagt bei den Question Marks, und da stellt sich die Frage, ob Sie den Sprung nach rechts rüber zu Stars schaffen. Ich würde sagen ausgeschlossen ist es nicht, aber bei einer Konkurrenz wie Amazon mit seinen beiden Plattformen Kindle und Audible brauchen Sie dafür sehr viel Geld und einen langen Atem. Wenn Sie das nicht haben, bleibt Ihnen die Nische.

Das ist also die BCG-Matrix, und sie zeigt auf sehr einfache Art und Weise, wie man sich in unterschiedlichen Marktkonstellationen verhalten soll, oder was die Normstrategie für verschiedene Marktkonstellationen ist.

Ich finde man sieht am Beispiel unseres Verlags auch ganz gut, warum es den Buchverlagen heute nicht so gut geht, und warum deren Sorgen gerade größer statt kleiner werden.

Und vielleicht beginnen Sie schon zu erkennen, wie sich mit einer solchen Matrix ein nicht ganz einfacher Sachverhalt recht anschaulich und klar darstellen lässt.

Um das Prinzip zu veranschaulichen habe ich heute noch drei Beispiele anschaulicher 2 x 2 Matrizen mitgebracht, die einen Sachverhalt besonders gut erklären.

Denken Sie sich in folgende Situation rein: Sie sind Führungskraft und müssen Ihrer Mitarbeiter bewerten. Vielleicht weil man es von Ihnen verlangt, vielleicht wollen Sie auch nur selber ein klareres Bild.

Sie könnten zum Beispiel sagen, es gibt da ein paar die sind inhaltlich sehr gut, und ein paar andere, die sind das nicht. Inhaltlich gut sein, das nennt man üblicherweise KÖNNEN. Und Sie könnten sagen, es gibt da ein paar, die engagieren sich, die strengen sich an. Und es gibt andere, die tun das nicht. Das nennt man üblicherweise WOLLEN.

Und jetzt malen Sie einfach eine Matrix auf, die untere Zeile ist wenig WOLLEN, die obere Zeile ist viel WOLLEN. Die Linke Spalte ist wenig KÖNNEN, die rechte Spalte ist viel KÖNNEN. Und da sortieren Sie Ihre Mitarbeite jetzt einfach mal gedanklich ein. Das Feld rechts oben ist Können und Wollen, das Feld darunter ist Können und nicht Wollen, das Feld links oben ist Wollen und nicht Können und das Feld links unten Nicht Können und nicht Wollen. Ich persönlich habe das in meiner Zeit als Führungskraft immer wieder gemacht, und das ist schon ein interessantes Bild, das da entsteht. Das heißt natürlich abhängig von Ihren Mitarbeitern, natürlich.

Professor Jörg Knoblauch arbeitet genau damit, auch wenn ich ihn bis jetzt keine Matrix malen gesehen habe. Er sagt die A-Mitarbeiter, das sind die, die Können und Wollen, die muss man mit Gold aufwiegen. Die B-Mitarbeiter, das sind die, die Wollen aber eben nicht so gut können, die muss man unterstützen. Und die C-Mitarbeiter, das sind die, die nicht wollen, von denen soll man sich trennen, ganz egal, ob sie was können oder nicht. Das kann man so sehen, muss man nicht. Auf jeden Fall bekommt man so ein sehr klares Bild darüber, welche Art von Mitarbeiter man hat und wie man diese Mitarbeiter einschätzt. Alleine das kann schon sehr helfen.

Noch ein Beispiel. Stellen Sie sich vor Sie beschreiben einem Freund die Unternehmenskultur in Ihrem Unternehmen. Das ist erst mal schwierig, weil woran macht man das fest?

Stefan Frädrich, den ich ich hier im Podcast ja schon interviewt habe, hat unterschiedliche Unternehmenskulturen genial einfach beschrieben, indem er eine 2 x 2 Matrix gezeichnet hat. Dabei hat er die Frage nach dem WARUM und nach dem WIE gestellt. Untere Zeile heißt das Unternehmen vermittelt wenig WARUM, obere Zeile heißt das Unternehmen vermittelt viel WARUM. Zum WARUM könnte man auch SINN sagen, also das Unternehmen vermittelt wenig oder viel SINN.

Und in den Spalten findet sich das WIE. Linke Spalte heißt das Unternehmen legt nicht fest, WIE getan und gemacht wird, rechte Spalte heißt das Unternehmen legt sehr wohl fest, WIE etwas gemacht wird. Und das Ergebnis ist genial. Weil auf einmal vollkommen klar wird, warum Unternehmen welche Kultur haben, und warum Menschen sich in unterschiedlichen Unternehmenskulturen wie führen. Es gibt dazu ein feines Video von Stefan, das verlinke ich in den Shownotes.

Und noch ein Beispiel. Tragen Sie für die untere Zeile ein „Inkompetenz“, für die obere „Kompetenz“. Und für die Spalten tragen Sie ein links „unbewusst“ und rechts „bewusst“. Und dann schauen Sie, was Sie da haben. Im Wesentlichen lässt sich damit durchdeklinieren, wie der Erwerb von Kompetenz idealtypisch funktioniert. Sie beginnen links unten, bei der unbewussten Inkompetenz. In dem Zustand fehlt Ihnen eine Kompetenz und Sie wissen es nicht, oder es ist Ihnen egal. Wenn Sie dann merken, dass Ihnen eine Kompetenz fehlt, dann wandern Sie nach rechts unten zur bewussten Inkompetenz. Das ist schon ein enormer Sprung von der unbewussten Inkompetenz zu „ich weiß, dass ich nichts weiß“, ein riesiger Erkenntnisgewinn. Der nächste Schritt ist dann die bewusste Kompetenz, wenn Sie diese Kompetenz erlernen. Und der finale Schritt ist, wenn Sie die Kompetenz so gut eintrainiert haben, dass SIe ihnen in Fleisch und Blut übergegangen ist. Dann sind Sie in einem Bereich, wo sich Gewohnheiten abspielen, da läuft es fast vollautomatisch. Die Kompetenz ist da, allerdings ist Sie Ihnen gar nicht mehr so bewusst.

Auch hier sieht man, dass sich ein nicht ganz trivialer Sachverhalt sehr plakativ erklären und darstellen lässt.

Ich hoffe Sie sehen jetzt, wozu eine solche Matrix gut sein kann. Sie hilft einem irrsinnig dabei Sachverhalte transparent und klar zu machen. Ich persönlich erlebe es regelmäßig, dass in Meetings alle einander vorbeireden, dann steht einer auf und malt eine einfache Matrix aufs Flipchart, und stellt die Frage: wo sind wir gerade in der Diskussion, hier, hier oder hier? Und dann wird aus einem Wirrwarr oft in kürzester Zeit wieder eine konstruktive Diskussion.

Probieren Sie’s am besten einfach mal aus!

Der Link zum angesprochenen Video von Stefan Frädrich: https://www.youtube.com/watch?v=0j1Gh7W6pcE